Mittwoch, 23. März 2011

Reisebedingungen des Reiseveranstalters nur bei Aushändigung an Reisenden gültig

Scheinbare Fristversäumnisse sind beliebte Einreden von Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften, um berechtigten Anspruchsbegehren von Reisenden und Fluggästen zu begegnen. Allzu gerne kommunizieren Fluggesellschaften tiefstes Bedauern über erhebliche Schäden und Kosten aus Gepäckverspätungen, Flugverspätungen oder Flugverlegungen, mimen Verständnis, um sodann angeblich verpasste Fristerfordernisse anzuführen. Auch Reiseveranstalter argumentieren fast reflexartig mit dem Einwand vermeintlich verpasster Mängelzanzeigen oder der Monatsfrist zur Geltendmachung von Reisemängeln.

Der ungeprüften und pauschalen Einrede von Fristversäumnissen durch Reiseveranstalter hat der Bundesgerichthof bereits mit Entscheidung vom Juni 2004 (BGH Urt. v. 03.06.2004, Az: X ZR 28/03) Einhalt geboten. Der BGH urteilte, dass der pauschale Ausschluss der Rechte von Reisenden aus Gewährleistungsansprüchen oder Schadensersatzansprüchen über die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Reiseveranstaltern unwirksam ist. Dies gilt vor allem für den Ausschluss deliktischer Ansprüche des Reisenden über die sog. Monatsfrist bezüglich Reisemängeln. 

Der BGH urteilte im Juni 2004 bereits, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reisevertrags, nach der die Geltendmachung aller Ansprüche, auch solcher aus unerlaubter Handlung, nach Ablauf einer einmonatigen Frist grundsätzlich ausgeschlossen ist, gegen §9 AGBG a.F. (heute: §307 Abs. 1 BGB) verstößt und deswegen unwirksam ist

Mit Entscheidung vom 26.02.2009 (BGH Urt. v. 26.02.2009, Az: Xa ZR 141/07) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Reiseveranstalter gesetzliche Verjährungsfristen für Ansprüche von Reisenden wegen Mängel der Reise nicht wirksam durch AGB verkürzen können, wenn diese dem Reisenden nicht ausgehändigt wurden und gegen Klauselverbote verstoßen. Zudem entschied der BGH, dass Reisende über die Geschäftsbedingungen von Reiseveranstaltern "aktiv" aufgeklärt und diese den Reisenden vollständig übermittelt werden müssen.

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau eine Hochzeitsreise nach Mauritius. Während der Pauschalreise stellte das Ehepaar erhebliche Mängel fest, da das Hotel zum Teil nicht fertiggestellt war und einer Baustelle glich. Sie machten nach Reiseende Ansprüche über die teilweise Rückzahlung des Reisepreises und eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend. Das Ehepaar erhob mehr als ein Jahr nach Beendigung der Reise Klage gegen den Reiseveranstalter. Der Reiseveranstalter führte in seinen AGB die Klausel: "Vertragliche Ansprüche des Reisenden verjähren in einem Jahr, beginnend mit dem Tag, an dem die Reise nach dem Vertrag enden sollte". 

Reiseveranstalter können die Verjährungsfrist aus Reiseverträgen auf ein Jahr verkürzen, wenn sie den Reisenden die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Reise- und Zahlungsbedingungen Kenntnis zu nehmen und die Verkürzung der Verjährungsfrist durch AGB zulässig ist. Der Reiseveranstalter berief sich auf seine AGB und behauptete, etwaige Ansprüche der Reisenden seien verjährt. Das Amtsgericht Bad Homburg (AG Bad Homburg, Urt. v. 22.02.2007, Az.: 2 C 2122/06 (15)) und das Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt/Main, Urt. v. 30.08.2007, Az.: 2/24 S 76/07) wiesen die Klage wegen der angeblichen Verjährung der Ansprüche ab. Dies sah der Bundesgerichtshof als rechtfehlerhaft an und urteilte zu Gunsten der Reisenden. 

Das Gesetz normiert in Deutschland für vertragliche Ansprüche von Reisenden aus dem Reisevertrag eine zweijährige Verjährungsfrist. Will der Reiseveranstalter die gesetzlich normierte Verjährungsfrist wirksam verkürzen, muss dies durch Reisebedingungen geschehen, die der Reisende als Vertragspartner tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Bei den Reisebedingungen handelt es sich um umfangreiche, im Kleindruck wiedergegebene Klauselwerke. Sie im Reisebüro wirklich zur Kenntnis zu nehmen, ist praktisch unmöglich und kann vom Reisenden nicht erwartet werden. Denn das Gesetz verlangt vom Reiseveranstalter, dass er seine allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Reisenden in die Hand gibt. Dies setzt voraus, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden den Prospekt zur Verfügung stellt und der Katalog dem Reisenden ausgehändigt wird (BGH Urt. v. 26.02.2009, Az: Xa ZR 141/07). Es genügt nach Meinung des BGH gerade nicht, dass der Katalog nur im Reisebüro einsehbar ist (BGH Urteil v. 12.06.2007, Az: X ZR 87/06). Damit stellt der BGH klar, dass die Möglichkeit der Einsichtnahme in den jeweiligen Reisekatalog des Reiseveranstalters nicht zur Einbeziehung der AGB in den Reisevertrag ausreicht. Es ist absehbar, dass bei Reisebuchungen im Reisebüro zukünftig dokumentiert werden wird, dass die AGB des Reiseveranstalters den Reisenden in die Hand gegeben worden sind. 

Es ist Reisenden in einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Reiseveranstalter und der Fluggesellschaft demnach zu raten, Einreden in Bezug auf angebliche Fristversäumnisse und vermeintlich verpasste Fristen genauestens zu überprüfen. In vielen Fällen werden Ausnahmeregelungen zum Tragen kommen. Die Verjährungsfristen im Reiserecht werden beispielsweise während der Zeit der Überprüfung der Ansprüche durch den Reiseveranstalter gehemmt. Danach muss die jeweilige Verjährungsfrist neu berechnet werden. Dem schematischen und reflexartigen Vorbringen behaupteter Fristversäumnisse von Seiten der Reiseveranstalter und Fluggesellschaften sollten Reisende und Fluggäste kritisch begegnen.

[este 03/11]
 
RECHTSANWALTSKANZLEI BARTHOLL
Vertretung im Reiserecht und Flugrecht
www.ra-janbartholl.de

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